Als Winterschlaf
bezeichnet man einen schlafähnlichen Zustand, in den bestimmte endotherme oder homoiotherme
Tiere – manche Säugetiere und wenige Vögel – unter Herabsetzung ihrer Körpertemperatur
während der kalten Jahreszeit verfallen.
Europäischer Igel
Einzelne Säugetiere (wie die Fledermäuse)
halten einen unterbrochenen Winterschlaf, andere (wie der Siebenschläfer, die Haselmaus,
der Igel oder das Murmeltier ) einen lang andauernden Winterschlaf mit wenigen
kurzen Unterbrechungen. Andere Tiere, wie das Ziesel halten beispielsweise
Sommerschlaf aufgrund der Wärme und des Wassermangels.
Mit der zeitlichen Organisation
des Winterschlafs beschäftigt sich die Chronobiologie.
Die Winterschläfer suchen im Herbst
Orte auf, an denen sie vor der strengen Kälte geschützt sind (hohle Baumstämme,
Erdhöhlen und dergleichen ) und polstern sie mit Heu, Stroh, Blättern, Haaren,
Wolle und anderen Materialien aus. In dem so ausstaffierten Unterschlupf
verbringen sie meist zu mehreren Tieren mit zusammengezogenem, abgekugeltem
Körper und geschlossenen Augenlidern den Winter in einem energetischen
Sparzustand, dem so genannten Torpor. Ihre normale Körpertemperatur sinkt dabei
meist auf Werte zwischen neun und einem Grad Celsius ab. Alle Körperfunktionen
sind in diesem Zustand stark vermindert. Die Atmung ist schwach, der Herzschlag
verlangsamt und die Empfindlichkeit gegenüber äußeren Reizen gering. Murmeltiere
senken zum Beispiel während des Winterschlafs ihre Körpertemperatur von 39 auf
bis zu 7 Grad Celsius ab. Ihr Herz schlägt statt hundertmal nur noch zwei- bis
dreimal pro Minute. Die Atempausen können bis zu einer Stunde betragen. Absonderungsprodukte
des Darmkanals und der Leber sammeln sich bei Winterschläfern im unteren Teil
des Darms an und werden gleich nach dem Erwachen ausgeschieden. Nahrung wird
während der Zeit des Schlafes nicht aufgenommen, höchstens zwischendurch in den
gelegentlichen Wachphasen. Die Tiere zehren stattdessen von ihren Fettreserven,
welche sie sich im Herbst angefressen haben. Ein spezielles braunes Fettgewebe,
das im Schulter- und Nackenbereich liegt, dient zusätzlich dem
Energierückgewinn, besonders auch dann, wenn die Tiere bei erhöhten
Außentemperaturen wieder aus ihrem Winterschlaf aufwachen, was etliche Stunden
dauert. In der Spätphase des Aufwachens wird der Körper vor allem durch
Muskelzittern wieder auf Normaltemperatur gebracht. Je wärmer es wird, desto
schneller atmen die Tiere.
Die Dauer des Winterschlafs ist
bei den einzelnen Winterschläfern unterschiedlich. Igel 3 bis 4 Monate. Siebenschläfer
verbringen stattliche 6 bis 7 Monate im Winterschlaf (daher auch ihr deutscher
Name). Man darf jedoch nicht der falschen Vorstellung unterliegen, dass es sich
beim Winterschlaf um einen mehrmonatigen Dauerschlaf ohne Pause handelt. Vielmehr
verläuft der Schlaf meist in Abschnitten, wobei sich längere Phasen der Ruhe
mit stark reduziertem Stoffwechsel mit kurzen Wachphasen abwechseln. Zu oft
dürfen die Tiere während des Winters allerdings nicht aufwachen, weil jede
zwischenzeitliche Aufwachphase an den Energiereserven zehrt, so dass die
Fettdepots zu früh aufgebraucht würden und für den eigentlichen Aufwachvorgang
im Frühjahr nicht mehr zur Verfügung stünden.
Manche Winterschläfer wie die Murmeltiere
halten sogar einen sozialen Winterschlaf. In jedem Bau ruhen bis zu 20 Eltern-
und Jungtiere eng nebeneinander, so dass sie sich gegenseitig aufwärmen können,
wenn die winterlichen Temperaturen zu stark absinken. Das erhöht die Chancen vor
allem der Jungtiere, die über weniger Energiereserven verfügen, auch härtere
Winter zu überstehen
Als Auslöser für den lang
anhaltenden Ruhezustand wurden traditionell äußere Faktoren wie das Sinken der Außentemperaturen
oder der Nahrungsmangel im Herbst angeführt. Doch sollen nach Ansicht von
Experten neben den kürzeren Tageslängen als Signalgeber vor allem innere
Faktoren wie die Umstellung des Hormonhaushalts oder die innere Uhr, die einem
jahreszeitlich bedingten Rhythmus unterworfen ist, für die Auslösung des
Winterschlafs verantwortlich sein. So scheint die innere Uhr die Bildung von
Fettdepots und dies wiederum die Schlafbereitschaft zu beeinflussen. Selbst der
narkotisierende Einfluss einer höheren Kohlendioxidkonzentration in den
Schlafhöhlen wurde als auslösender Faktor für den Winterschlaf diskutiert.
Die genaue Ursache für das
Aufwachen im Frühjahr ist immer noch nicht genau bekannt. Steigende
Umgebungstemperaturen und die Anreicherung von zu vielen
Stoffwechselendprodukten im Körperinneren könnten als Wecksignale dienen. Jedenfalls
muss der Winterschläfer während der Aufwachphase nach und nach seine
Körpertemperatur erhöhen. Hormonelle Einflüsse sorgen dafür, dass das braune
Fettgewebe zwecks Energiegewinn zur Wärmeerzeugung abgebaut wird. Sind 15 Grad
Celsius erreicht, setzt das Muskelzittern zur weiteren Temperaturerhöhung ein. Der
Brust- und Kopfbereich mit den lebenswichtigen Organen wird dabei schneller
erwärmt als der übrige Körper.
Untersuchungen der Universität
Wien an Zieseln haben gezeigt, dass der mehrmonatige Winterschlaf negative
Auswirkungen auf die Gedächtnisleistungen der Winterschläfer hat. Im Vergleich
zu Tieren, die keinen Winterschlaf gehalten hatten, waren die Ziesel nach ihrer
langen Schlafphase nicht mehr in der Lage, vorher erlernte Aufgaben zu lösen
(zum Beispiel einen Weg im Labyrinth zu finden oder den Hebel eines
Futterautomaten zu bedienen). Eine Erklärung dafür könnte die niedrige
neuronale Aktivität während des Torpors sein. Man hat sogar nachgewiesen, dass
Verbindungen zwischen Nervenzellen im Gehirn während des Winterschlafs abgebaut
werden.
Der Winterschlaf kommt nicht nur
bei Säugetieren vor. Auch bei einigen Vögeln kennt man winterschlafähnliche
Zustände. So reduzieren die Kolibris bei Nahrungsmangel oder Kälteeinbrüchen
ihren Stoffwechsel und fallen in eine Schlafstarre. In unseren Breiten
verfallen bei Hungerperioden junge Mauersegler während des Schlafes in einen poikilothermen
(wechselwarmen) Zustand, ohne dass die Körpertemperatur so stark herabgesetzt
würde wie bei echten Winterschläfern. Längere Zeiträume des Winterschlafs wie
bei Säugetieren gibt es bei Vögeln jedoch nicht.
Die Winterruhe der Braunbären
in ihren Höhlen ist nicht mit dem beschriebenen Winterschlaf zu verwechseln,
weil die Körpertemperatur der Bären während ihrer längeren Ruhephase nie so
stark abfällt wie bei den echten Winterschläfern. Winterruhephasen ohne eine
größere Absenkung der Körpertemperatur gibt es auch bei Dachsen, Eichhörnchen
und Waschbären. Die betreffenden Tiere sind allerdings während ihrer Winterruhe
häufig wach und wechseln auch öfter die Schlafposition. Braunbären dagegen verbringen
bis zu sieben Monate in ihrer Bärenhöhle in einem Dämmerschlaf, wobei sie weder
Kot abgeben noch urinieren und auch nicht fressen oder trinken, sondern allein
von ihren Fettreserven leben. Amerikanische Wissenschaftler haben
herausgefunden, dass für diesen Dämmerzustand das Winterruhehormon Hibernation
Induction Trigger (HIT) verantwortlich ist. Diese Substanz ermöglicht es den
Bären, ihre lange Winterruhe zu überstehen, ohne dabei an Muskelkraft
einzubüßen. Ein Mensch würde bei einer ähnlich langen Ruhephase, etwa im
Krankenbett, rund 90 Prozent seiner Muskelkraft verlieren. Murmeltiere
verkleinern während des Winterschlafes Magen und Darm um die Hälfte, Leber und
Nieren um etwa 30 Prozent.
In jüngster Zeit wurde zur Winterzeit
auch ein Ruhezustand mit einem Abfall der Körpertemperatur auf bis zu 15 Grad
Celsius bei einheimischen Hirschen festgestellt. Durch die Herabsetzung ihrer
Stoffwechselaktivität in der nächtlichen Ruhephase sind die Tiere in der Lage,
die kalte Jahreszeit besser zu überstehen. Versuche der Veterinärmedizinischen
Universität Wien ergaben, dass diese Regulationsmechanismen der
Körpertemperatur und des Stoffwechsels vom Nahrungsangebot beeinflusst werden. Eiweißreiche
Nahrung, die untypisch für die Winterzeit ist, könnte für unnötig hohe
Stoffwechselaktivität im Winter verantwortlich sein. Eine nicht artgerechte Winterfütterung
könnte so Hunger im Frühjahr erzeugen, da der Stoffwechsel nicht reduziert
wurde, was wiederum zu Verbissschäden im Forst führe.
Die Forscher der
Veterinärmedizinischen Universität Wien gehen davon aus, dass die Abgrenzung
des Winterschlafs von der Winterruhe nicht mehr haltbar ist, sondern eine
Vielzahl von Säugetieren über eine Palette von ähnlich verlaufenden
Regulationsmechanismen der Herabsetzung des Stoffwechsels und der
Körpertemperatur verfügen, die möglicherweise auch von Seehunden und Walen bei
längeren Tauchgängen genutzt werden.
Abzuheben ist der Winterschlaf
auch von der Kältestarre, wie sie bei vielen poikilothermen Tieren – Schnecken,
manchen Insekten, den meisten Reptilien (Schlangen, Schildkröten, Eidechsen)
und Amphibien (Kröten, Fröschen) – in den gemäßigten Klimazonen vorkommt. Teichmolche
verbringen 3 bis 4 Monate, Blindschleichen und Kreuzottern 4 bis 5 Monate, Laubfrösche
und Zauneidechsen 5 bis 6 Monate im Zustand der Winterstarre. Ein völliges,
tödliches Einfrieren der Körperflüssigkeiten wird durch Glukose verhindert. Zusätzlich
sondert der nordamerikanische Waldfrosch Rana sylvatica während der
Winterstarre keinen Harn ab, so dass der Harnstoffgehalt seines Blutes um bis
das Fünfzigfache steigt.
Eine andere Erscheinung ist der Sommerschlaf,
den Krokodile und Schlangen (z. B. die Todesotter) der heißen Regionen während
der trockenen Jahreszeit, meist unter einer Schlammdecke verborgen, halten. Einen
ähnlichen Sommer- oder Trockenschlaf halten in unseren Breiten bei Wärme- und
Wassermangel auch die Weinbergschnecken. Weitere sommerschlafende Tiere sind
einige Frosch- und Krötenarten wie der Schmuckhornfrosch (Ceratophrys ornata)
oder der Afrikanische Ochsenfrosch (Pyxicephalus adspersus). Ziel des
Sommerschlafs ist es, während der heißen und nahrungsarmen Zeit Energie zu
sparen; zu diesem Zweck fahren die Sommerschläfer, genau wie die
winterschlafenen Tiere, ihren Stoffwechsel herunter. Bei den oben genannten Amphibien
reduziert sich zusätzlich die Größe des Darms um über 40 Prozent. Einhergehend
mit der Darmschrumpfung ist ein Rückgang der Nährstoffaufnahme um ca. 60
Prozent. Sobald es wieder Nahrung gibt, wächst der Darm wieder auf Normalgröße.
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