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Nagetiere

Systematik und Stammesgeschichte

Äußere Systematik

Die Nagetiere werden im Regelfall als Ordnung Rodentia mit den Hasenartigen (Ordnung Lagomorpha), ihrer vermutlichen Schwestergruppe, als Glires zusammengefasst. Die Glires werden innerhalb der Euarchontoglires den als Euarchonta zusammengefassten Ordnungen der Spitzhörnchen, Riesengleiter und Primaten gegenübergestellt. Eine grafische Darstellung der möglichen Verwandtschaftsbeziehungen sieht wie folgt aus:

──┐ Euarchontoglires
  
  ├──┐ Euarchonta
    ├─── Spitzhörnchen (Scandentia)
    └──┬─── Riesengleiter (Dermoptera)
       └─── Primaten (Primates)
  
  └──┐ Glires
     ├─── Hasenartige (Lagomorpha)
     └─── Nagetiere (Rodentia)

Die Verwandtschaft mit den Hasenartigen ist morphologisch gut begründet, und jene wurden schon 1735 in Carl von Linnés Systema Naturae als Untergruppe zu den Nagetieren (Ordnung Glires) gestellt. Anfang des 20. Jahrhunderts aufgekommene Zweifel an dieser Verwandtschaft, die sich auch in einer Aufspaltung in zwei Ordnungen spiegelten, konnten durch neuere molekulargenetische Untersuchungen weitgehend ausgeräumt werden. Demnach trennten sich Nagetiere und Hasenartige vermutlich in der mittleren Oberkreide.

Die Einordnung in die Euarchontoglires ist noch jung und wird bisher lediglich durch die Molekulargenetik gestützt. Sowohl die gemeinsame Abstammung als auch die Schwestergruppenverhältnisse innerhalb der Euarchontoglires sind noch unsicher.

Einige Säugetiere werden aufgrund äußerer Ähnlichkeiten als „Mäuse“ oder „Ratten“ bezeichnet, ohne dass sie zu den Nagetieren gehören. Dazu gehören die Spitzmäuse aus der Ordnung der Insektenfresser, die Beutelmäuse und Beutelratten aus der Gruppe der Beutelsäuger und andere. Auch die Fledermäuse sind keine Nagetiere.

Innere Systematik [Bearbeiten]

Die Nagetiere sind die bei weitem größte Ordnung der Säugetiere. Nachdem ihr Artenreichtum noch in der Mitte des 20. Jahrhunderts durch die unkritische Anwendung des biologischen Artbegriffs verschleiert wurde, setzt sich die Anerkennung neuer Arten in jüngerer Zeit stetig fort:

Die hier vorgenommene Unterteilung der rezenten Nagetiere in fünf Unterordnungen mit 34 Familien folgt weitgehend Carleton & Musser (2005).[9]

Ordnung Nagetiere (Rodentia)

Das Europäische Eichhörnchen ist ein Vertreter der Hörnchen.

Das Europäische Eichhörnchen ist ein Vertreter der Hörnchen.

 

Die Pampashasen oder Maras zählen zur Familie der Meerschweinchen.

Die Pampashasen oder Maras zählen zur Familie der Meerschweinchen.

 

Die Nagetiere bilden aufgrund einiger abgeleiteter, morphologischer Merkmale (Synapomorphien) und molekulargenetischer Ergebnisse eine gut begründete Verwandtschaftsgruppe. Die Verwandtschaftsverhältnisse innerhalb der Nagetiere sind dagegen noch in wesentlichen Punkten unklar. Eine grafische Darstellung der möglichen phylogenetischen Verwandtschaftsverhältnisse nach Poux et al. (2006) [10] sieht wie folgt aus:

──┐ Nagetiere (Rodentia)
  ├─── Hörnchenverwandte (Sciuromorpha)
  
  ├──┬─── Biberverwandte (Castorimorpha)
    ├─── Dornschwanzhörnchenverwandte (Anomaluromorpha)
    └─── Mäuseverwandte (Myomorpha)
  
  └──┐ Stachelschweinverwandte (Hystricomorpha)
     ├─── Kammfinger (Ctenodactylomorphi)
     
     └──┐ Hystricognathi
        ├─── Stachelschweine (Hystricidae)
        
        └──┬─── Sandgräber, Felsen- und Rohrratten (Phiomorpha)
           └─── Meerschweinchenverwandte (Caviomorpha)

Innerhalb der Hörnchenverwandten bilden Stummelschwanzhörnchen und Hörnchen eine seit langem gut belegte Verwandtschaftsgruppe. Die vermutete Verwandtschaft mit den Bilchen hat in letzter Zeit vermehrt Unterstützung erfahren, ist jedoch noch nicht gesichert. Auch die Verwandtschaft der Biber und Taschennager miteinander und damit die Zusammenfassung als Biberverwandte ist noch nicht sicher. Ob Dornschwanzhörnchen und Springhase miteinander verwandt sind und wo die Dornschwanzhörnchenverwandten dann einzuordnen wären ist ebenfalls noch unklar. Die Mäuseverwandten dagegen bilden eine gut belegte Verwandtschaftsgruppe.

Die Verwandtschaftsverhältnisse innerhalb der Stachelschweinverwandten sind inzwischen recht gut belegt. Demnach bilden die Kammfinger die Schwestergruppe aller anderen Familien. Auch die Phiomorpha und die Meerschweinchenverwandten erfahren als Verwandtschaftsgruppen gute Unterstützung. Lediglich das Schwestergruppenverhältnis zwischen Phiomorpha, Meerschweinchenverwandten und Stachelschweinen ist noch nicht klar.

 

Traditionelle Klassifizierungsmerkmale

Traditionell werden zwei morphologische Merkmale zur Klassifizierung der Familien herangezogen.

Zwei Ausprägungen des Unterkiefers werden unterschieden:

Vier Ausprägungen der Kaumuskulatur werden unterschieden:[11]

Geschichte der Systematik

 

Hasenartige wie der Schneehase wurden ursprünglich bei den Nagetieren eingeordnet.

Hasenartige wie der Schneehase wurden ursprünglich bei den Nagetieren eingeordnet.

Hauptartikel: Geschichte der Systematik der Nagetiere

Schon Carl von Linné fasste in seiner Systema Naturae ab 1735 ursprünglich alle Nagetiere einschließlich der Hasenartigen in der Ordnung Glires zusammen. Daneben enthielt diese Ordnung mit Spitzmäusen, Desmanen, Beutelratten, Nashörnern, Fledermäusen und dem Fingertier zeitweise auch nicht verwandte Säugetierarten. Von 1821 stammt die Bezeichnung Rodentia für die Ordnung der Nagetiere einschließlich der Hasenartigen. Nach der unterschiedlichen Ausprägung ihrer Kaumuskulatur wurden diese 1855 in Sciuromorpha („Hörnchenartige“), Myomorpha („Mäuseartige“), Hystrichomorpha („Stachelschweinartige“) und Lagomorpha („Hasenartige“) unterteilt. Erstere drei Gruppen, die Nagetiere im heutigen Sinn, wurden 1876 als Simplicidentata zusammengefasst und den Hasenartigen (Duplicidentata) gegenübergestellt. Nach der Struktur ihres Unterkiefers hingegen wurden die Nagetiere im heutigen Sinn 1899 in die Sciurognathi und die Hystricognathi unterteilt. Neben der Dreiteilung in Sciuromorpha, Myomorpha und Hystricomorpha ist diese Zweiteilung bis in die heutige Zeit weit verbreitet. 1912 wurde erstmals vermutet, dass Nagetiere und Hasenartige nicht näher miteinander verwandt sind, und die beiden Gruppen wurden fortan als separate Ordnungen geführt.

Anfang der 1990er-Jahre wurde mit der provokanten Veröffentlichung Is the Guinea-Pig a Rodent? („Ist das Meerschweinchen ein Nagetier?“) in der Zeitschrift Nature die Theorie aufgestellt, die Meerschweinchenverwandten seien nicht mit den übrigen Nagetieren verwandt, sondern hätten sich zu einem früheren Zeitpunkt als andere Säugetierordnungen abgespalten. Andere Untersuchungen von morphologischen und molekularer Daten bestätigten hingegen die Monophylie (die gemeinsame Abstammung aller Arten von einem gemeinsamen Vorfahren) der Nagetiere, was heute weitgehend als Konsens betrachtet wird.

 

Stammesgeschichte

Die ersten zweifellos den Nagetieren zuzuordnenden Funde stammen aus dem oberen Paläozän, entstanden dürfte die Gruppe aber bereits in der Kreidezeit sein. Als mesozoische Vorläufer werden manchmal die Zalamdalestidae angeführt, eine in der Oberkreide in Asien lebende Gruppe. Diese für mesozoische Säugetiere relativ großen Tiere hatten einen den Rüsselspringern vergleichbaren Körperbau und wiesen im Bau der vergrößerten unteren Schneidezähne Ähnlichkeiten mit den Nagern auf. Ob sie tatsächlich die Vorfahren der Nagetiere oder der Glires (des gemeinsamen Taxons aus Nagern und Hasenartigen) darstellen, ist umstritten.

Im unteren Paläozän lebte in Asien die Familie der Eurymylidae, die wie die heutigen Nager bereits nur mehr zwei vergrößerte Schneidezähne pro Kiefer aufwies, sich in Details im Aufbau der Zähne aber von diesen unterscheidet. Heute werden die Eurymylidae eher als Schwestergruppe der Nagetiere und nicht als dessen basale Vertreter klassifiziert. Ähnliches gilt für die Alagomyidae, die ebenfalls im Paläozän in Asien und Nordamerika lebte.

Als älteste bekannte Vertreter der Nagetiere gelten die Ischiomyidae (auch Paramyidae genannt), die im späten Paläozän in Nordamerika verbreitet waren und die bereits den noch heute vorhandenen Bau des Gebisses aufwies. Die Aufspaltung in die fünf Unterordnungen war bereits gegen Ende der Kreidezeit vollendet. Im Eozän breiteten sich die Nagetiere dann auch in Eurasien und Afrika aus, und gegen Ende dieser Epoche kam es zu einer fast explosionsartigen Radiation und viele der heutigen Gruppen entstanden. Unter anderem sind Hörnchen, Biber, Dornschwanzhörnchen, Mäuseartige, Kammfinger und Bilche aus dieser Zeit oder spätestens aus dem frühen Oligozän belegt.

Eine Gruppe von Nagern, die heute als Meerschweinchenverwandte zusammengefasst werden, erreichte im frühen Oligozän (vor rund 31 Millionen Jahren) Südamerika – vermutlich von Afrika auf Treibholz über den damals viel schmaleren Atlantik schwimmend. Südamerika war damals – wie während des größten Teils des Känozoikums – von den übrigen Kontinenten isoliert, sodass sich eine eigene Fauna bilden konnte, vergleichbar mit der Situation in Australien. Es gab dort nur wenige Säugetiergruppen (die Beutelsäuger, die ausgestorbenen Südamerikanischen Huftiere und die Nebengelenktiere), weswegen die Meerschweinchenverwandten einige ökologische Nischen einnehmen konnten, die für Nagetiere untypisch sind und sich in dieser Form nur bei dieser Gruppe finden. Einige grasfressende Arten stellen gewissermaßen das ökologische Äquivalent zu den Paarhufern dar, auch entwickelten sich riesenhafte Formen. Noch heute gehört mit dem Capybara der größte Nager zu dieser Gruppe, ausgestorbene Formen wie Phoberomys erreichten sogar die Ausmaße von Flusspferden.

Bemerkenswert ist, dass die Nagetiere vor der weltweiten Ausbreitung des Menschen als einzige Gruppe landgebundener Plazentatiere den australischen Kontinent besiedeln konnten. Diese Einwanderung geschah in mehreren Wellen vor fünf bis zehn Millionen Jahren. Heute gibt es eine Reihe auf diesem Kontinent endemischer Gattungen, darunter die Schwimmratten, die Australischen Kaninchen- und die Häschenratten. Zu einem späteren Zeitpunkt haben auch die Ratten mit mehreren Vertretern Australien erreicht.

 

Nagetiere und Menschen

Nagetiere als Nutztiere

 

Gebratenes Hausmeerschweinchen mit Beilagen

Gebratenes Hausmeerschweinchen mit Beilagen

Eine Reihe von Nagetierarten wird vom Menschen als Nutztiere gehalten, das heißt um sich einen wirtschaftlichen Zweck zugute zu machen. Die wichtigsten Zwecke sind der Genuss ihres Fleisches, die Verwendung des Fells und die Tierversuche.

Der Genuss des Fleisches von Nagetieren ist heute im mitteleuropäischen Kulturraum unüblich, wenn auch in früheren Zeiten insbesondere in Notsituationen auch diese Tiere verspeist wurden. In anderen Regionen der Erde hingegen werden sie gegessen, manche Arten gelten sogar als Delikatesse. Bekannte Beispiele sind die Hausmeerschweinchen, die in Südamerika – insbesondere in Peru – millionenfach gezüchtet und verspeist werden, die Rohrratten, die in einigen westafrikanischen Ländern wie Ghana gehalten werden und deren Zucht sogar von der Welternährungsorganisation (FAO) propagiert wird, oder der Siebenschläfer, der im alten Rom als Leckerbissen galt und in eigens angelegten Glirarien gemästet wurde. Daneben werden Nagetiere nicht nur für den Genuss des Menschen gezüchtet, sondern auch als Futtertiere verwendet, beispielsweise für Echsen und Schlangen und andere in Zoos oder privaten Terrarien gehaltene Tiere.

Einige Nagetiere werden auch ihres Felles wegen gejagt oder auch gezüchtet. Die hierzulande bekanntesten Vertreter sind die Eigentlichen Chinchillas, die Bisamratte und die Biberratte oder Nutria; weltweit dienen jedoch die verschiedensten Arten als Pelzlieferanten.

Einen bedeutenden Bereich der Nutzung von Nagetieren stellen Tierversuche dar. Diese Tiere werden vorwiegend verwendet, da sie klein, leicht zu züchten und zu halten sind und sich sehr schnell vermehren. Über 80%, teilweise sogar über 90%, der eingesetzten Tiere sind Nagetiere, allen voran Hausmäuse, gefolgt von Wanderratten und Hausmeerschweinchen [12]. Die Kontroverse um den tatsächlichen Nutzen dieser Praktiken wird äußerst heftig geführt. Ebenfalls zu den Tierversuchen kann die Verwendung von Nagetieren in der Raumfahrt gezählt werden. Erstmals wurde Hausmäuse und Hausmeerschweinchen an Bord der sowjetischen Sonde Wostok 3A im März 1961 ins All geflogen, später kamen auch Wanderratten und Taschenmäuse hinzu.

 

Nagetiere als Heimtiere

 

Dsungarischer Zwerghamster in einem Laufrad

Dsungarischer Zwerghamster in einem Laufrad

Zahlreiche Nagetiere werden auch als Heimtiere oder Streicheltiere gehalten, das heißt aus Freude und persönlicher Zuneigung und nicht aus einem direkten wirtschaftlichen Nutzen. Die Gründe für die Haltung von Nagern sind unter anderem die geringe Körpergröße und die damit verbundenen niedrigen Haltungskosten. Etliche Arten sind jedoch aufgrund ihrer nachtaktives Lebensweise und ihrer Unwilligkeit gegenüber Berührungen nur bedingt als Heimtier geeignet, auch ist bei vielen Arten, die in großen Gruppen leben oder viel Auslauf brauchen, eine artgerechte Haltung kaum realisierbar. Zu den Arten, die als Heimtiere gehalten werden, zählen Hausmeerschweinchen, Gold-, Zwerg- und andere Hamster, Haus-, Renn-, Spring- und andere Mäuse, Wanderratten, Degus, Chinchillas, Gleit-, Streifen- und andere Hörnchen, mehrere Bilcharten und andere mehr.

 

Nagetiere als „Schädlinge“ und Gefahr für den Menschen

 

Maus in einer Mausefalle

Maus in einer Mausefalle

Etwa 200 bis 300 Arten gelten als Landwirtschafts- oder Nahrungsmittelschädlinge. Zum Teil halten sie sich in den zur Nahrungsmittelproduktion genutzten Flächen auf, wo sie die Feldfrüchte selbst verzehren oder durch ihre unterirdische Lebensweise an Wurzeln und Knollen der Pflanzen Schäden anrichten. Häufig ist der Mensch die Hauptursache dafür, indem er massiv in den natürlichen Lebensraum der Tiere eingreift. Durch die Umwandlung der Habitate in landwirtschaftlich genutzte Flächen und die Verringerung des Nahrungsangebotes werden viele Arten gezwungen, sich neue Nahrungsquellen zu erschließen. In Indonesien gehen beispielsweise 17 % der Reisernte durch Nagetiere verloren. [13] Diese stehen dann in Konkurrenz zu den wirtschaftlichen Interessen und leiten die Verfolgung ein. Die hemerophilen Arten (Kulturfolger), beispielsweise Mäuse und Ratten, suchen auch direkt in den Aufbewahrungsorten von Lebensmitteln nach Nahrung. Darüber hinaus kommt es durch die Nagetätigkeit oft zu weiteren materiellen Schäden, zum Beispiel an Dämmmaterialien, Strom- und Wasserleitungen.

Neben den materiellen Schäden, die Nagetiere anrichten, sind einige Arten auch als Überträger von Krankheiten bekannt und stellen so eine Bedrohung für den Menschen dar. Infektionen können auf verschiedenste Weise geschehen: durch Bisse können unter anderem Pasteurellose und Tollwut übertragen, wenngleich Nagetiere seltener vom Tollwutvirus betroffen sind als andere Säugetiergruppen. Durch ihre Exkremente kann es unter anderem zur Übertragung von Salmonellose und Leptospirose (Weil-Krankheit) sowie von hämorrhagischen Fieber (Hantaviren) kommen; durch den Verzehr von Nagern, der wie oben erwähnt in außereuropäischen Ländern recht häufig vorkommt, zur Trichinose. Am bekanntesten sind wohl die Krankheiten, die von auf diesen Tieren parasitierenden Flöhen übertragen werden wie das murine Fleckfieber und die Pest, die in mehreren Pandemien Millionen Menschen das Leben gekostet hat.

 

Bedrohung

Die weite Verbreitung einiger kulturfolgender Arten darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass viele Nagetierarten ein kleines Verbreitungsgebiet haben und zu den gefährdeten oder bedrohten Arten zählen. Die Gründe dafür sind unter anderem die gezielte Verfolgung von als Schädlinge betrachteten Tieren (zum Beispiel bei den Präriehunden), die Bejagung aufgrund des Fleisches oder des Felles (wie beim Kurzschwanz-Chinchilla), die Zerstörung des Lebensraumes, die vor allem waldbewohnende Arten trifft und die Verdrängung durch eingeschleppte oder eingewanderte Neozoen.

Die IUCN listet 31 Nagetierarten als ausgestorben, neben einigen australischen handelt es sich dabei vorwiegend um Arten, die auf Inseln endemisch waren. Dazu zählen unter anderem sämtliche Riesenhutias, einige Vertreter der Baum- und Stachelratten der Karibischen Inseln, die Karibische Riesenreisratten, eine Südamerikanische Baumstachlerart, die Kanarische Riesenratte, sowie aus Australien die Weißfuß-Kaninchenratte, die Kleine Häschenratte und mehrere Arten der Australischen Hüpfmäuse. Des weiteren gelten laut IUCN 56 Arten als vom Aussterben bedroht (critically endangered) und 98 als stark gefährdet (endangered), für viele Arten liegen zu wenig Daten vor, weswegen sie als data deficient gelistet werden. [14]

 

Nagetiere in der Kultur

 

Der hinduistische Gott Ganesha wird oft auf einer Maus oder Ratte reitend dargestellt

Der hinduistische Gott Ganesha wird oft auf einer Maus oder Ratte reitend dargestellt

Nur sehr wenige Nagetiergattungen spielen in der menschlichen Kultur eine Rolle. Auffallend ist jedoch, dass sie im Gegensatz zu ihrem Ruf als Schädlinge häufig positive Rollen einnehmen. Sie werden – vermutlich aufgrund ihrer Anpassungsfähigkeit – oft als klug und gewieft dargestellt, die sich gegen größere, oft dümmere Gegner erfolgreich zur Wehr setzen.

Mäuse und Ratten sind sicher die häufigsten derart dargestellten Nagetiere. In der Chinesischen Astrologie gelten Menschen, die im Jahr der Ratte oder Maus (, shu) geboren sind als angriffslustig, aber auch intelligent und selbstbewusst. Auch in Indien sind Ratten ein Symbol für Intelligenz und Stärke, beispielsweise wird der Gott Ganesha häufig auf einer Ratte oder Maus reitend dargestellt. Im westlichen Kulturkreis sind Ratten deutlich negativer besetzt, sie gelten oft als bösartig. Die weit verbreitete Abscheu oder Angst vor Ratten wird etwa in Die Rättin von Günter Grass oder in 1984 von George Orwell zur Sprache gebracht.

Mäuse hingegen verkörpern eher den „süßen“, gutartigen Charakter. Dementsprechend häufig tauchen positiv besetzte Mäuse insbesondere in Kinderliteratur und Zeichentrick auf, beispielsweise Walt Disneys Micky Maus oder die Figur in der Sendung mit der Maus. Der stereotype Kampf Mäuse gegen Katzen, bei dem meist die Katzen unterliegen, wird ebenfalls oft dargestellt, etwa in Trickfilmserien wie Tom und Jerry oder Speedy Gonzales. In allegorischer Weise finden sich Mäuse beispielsweise in Franz Kafkas Josefine, die Sängerin oder das Volk der Mäuse oder in dem die NS-Zeit behandelnden Comic Maus – Die Geschichte eines Überlebenden.

Die Tätigkeiten oder Eigenschaften einiger weiterer Nagetiere sind sprichwörtlich geworden, beispielsweise die langen Winterschlafe der Murmeltiere oder Siebenschläfer. Die Sammeltätigkeit der Hamster steht Pate für einen übertriebenen Hortungsdrang, und die Bautätigkeit der Biber wird als Inbegriff des Fleißes betrachtet.

 

Referenzen

  1. Zahlen nach D. Wilson und D. Reeder (2005)
  2. Sämtliche Zahlen nach Nowak (1999)
  3. R. Buffenstein und J. U. Jarvis: The naked mole rat--a new record for the oldest living rodent
  4. Gordon Barclay Corbet, John Edwards Hill: A World List of Mammalian Species. Comstock, London 1980, VIII + 226 Seiten.
  5. James H. Honacki, Kenneth E. Kinman, James W. Koeppl (Hrsg.): Mammal Species of the World. A Taxonomic and Geographic Reference. Allen Press, Inc. and The Association of Systematics Collections, Lawrence, Kansas 1982, IX + 694 Seiten, ISBN 0-942924-00-2.
  6. Gordon Barclay Corbet, John Edwards Hill: A World List of Mammalian Species. 2. Ausgabe. Facts on File Publications, New York 1986, 254 Seiten, ISBN 0-565-00988-5.
  7. Don E. Wilson, DeeAnn M. Reeder (Hrsg.): Mammal Species of the World. A Taxonomic and Geographic Reference. 2. Ausgabe. Smithsonian Institution Press, Washington, D.C. 1993, XVIII + 1207 Seiten, ISBN 1-56098-217-9.
  8. Don E. Wilson, DeeAnn M. Reeder (Hrsg.): Mammal Species of the World. A Taxonomic and Geographic Reference. 3. Ausgabe. The Johns Hopkins University Press, Baltimore 2005, XXXV + XVII + 2142 Seiten, ISBN 0-8018-8221-4.
  9. Michael D. Carleton, Guy G. Musser: Rodentia. In: Don E. Wilson, DeeAnn M. Reeder (Hrsg.): Mammal Species of the World: A Taxonomic and Geographic Reference. 3. Auflage. The Johns Hopkins University Press, Baltimore 2005, S. 745–752, ISBN 0-8018-8221-4 (englisch).
  10. Céline Poux, Pascale Chevret, Dorothée Huchon, Wilfried W. de Jong, Emmanuel J. P. Douzery: Arrival and Diversification of Caviomorph Rodents and Platyrrhine Primates in South America. In: Systematic Biology. Jg. 55, Nr. 2, April 2006, S. 228–244, ISSN 1063-5157.
  11. Sean D. Bell: Aplodontid, Sciurid, Castorid, Zapodid and Geomyoid Rodents of the Rodent Hill Locality, Cypress Hills Formation, Southwest Saskatchewan. Saskatoon, Dezember 2004 (PDF; 6.092 KB).
  12. Tierversuchsstatistik Österreichs, der Schweiz und Deutschlands
  13. Maier (2004), S. 532
  14. Zahlen nach The IUCN Red List of Threatened Species, abgerufen am 12.9.2006

 

Literatur

 

Wikipedia

http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Nagetiere&action=history

http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html