Zwergflamingos verfügen anders
als andere Vögel weder über einen spitzen Schnabel (die Einsetzbarkeit des
Schnabels als Waffe ging mit der Entwicklung des Filterapparats verloren) noch
scharfe Krallen, mit denen sie sich gegen potentielle Angreifer zur Wehr setzen
könnten. Die Körperkräfte von Zwergflamingos sind für ihre Größte
unterdurchschnittlich, wodurch Zwergflamingos aufgrund der relativ einfachen
Möglichkeit, sie zu schlagen und dem dafür recht hohen Fleischertrag zu einer
idealen Beute verschiedener afrikanischer Raubtiere macht. Allerdings frisst
der Großteil dieser Räuber das Aas, welches die eigentlichen Flamingojäger
zurücklassen: Die Schreiseeadler. Haliaeetus vocifer lebt auch in den
Regionen, wo Zwergflamingos leben. Die einen möglichen Räuber, Schakale, Löwen
und ähnliche, kommen nicht an die Zwergflamingos heran, da sie nicht die
Möglichkeit besitzen, sich durch das ätzende Wasser der Natronseen zu kämpfen. Besonders
dort, wo die Flamingos leicht angreifbar wären, in ihrem Brutsee, ist ein
Durchwaten zu den Inseln mit den Kolonien unmöglich, da an diesem See das
Wasser besonders ätzend ist. Der Schreiseeadler jedoch kann von Bäumen am Ufer
den Zwergflamingos auflauern und mit einem Überraschungsangriff einen
Zwergflamingo reißen. Der Zwergflamingo, meist ein Jungtier aus einer Krippe,
wird von den kräftigen Krallen des Schreiseeadlers gepackt und zu den Bäumen am
Ufer getragen. Falls der Zwergflamingo noch nicht tot ist, wird er jetzt getötet.
Die Reste der Zwergflamingos werden von verschiedenen Aasfressern wie Geiern, Schakalen
und Hyänen vertilgt. Ein Zwergflamingo kann somit einige afrikanische
Beutegreifer ernähren.
Die Stellung des Zwergflamingos in einem
Nahrungskettenbeispiel:
Konsument 2 Schreiseeadler
^ Aas
|--------> Schakale, Geier, Hyänen etc.-
Beute |
-------
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Konsument 1 ---Zwergflamingo---
^
Beute |
|
Produzent Spirulina platensis
Zwergflamingos (Phoenicopterus minor) und
Rosaflamingos (Phoenicopterus roseus) am Nakurusee.
Früher war fast nichts über das
Zugverhalten und die Brutgebiete der Zwergflamingos bekannt. Vor etwas 60
Jahren begann Leslie Brown, ein in Kenia lebender Schotte, sich mit diesem
Thema intensiv zu befassen. Er suchte beim unwirtlichen, großen Natronsee am
Rande des Hochlandes von Ngorongoro nach den Brutgebieten der Zwergflamingos. Er
erkundigte sich bei den Massai, was sie über den Zwergflamingo wüssten. Sie
meinten, die Flamingoküken würden dem Wasser des Sees entspringen. Doch 1954
mietete er ein Flugzeug und überflog den Natronsee. Er entdeckte nach 10 Jahren
Arbeit schließlich mittels des Flugzeugs eine Brutkolonie von 150.000
Brutpaaren. Dies war das erste Mal, das eine Brut von Zwergflamingos gesichtet
werden konnte, eine der größten ornithologischen Entdeckungen, wenn man
bedenkt, dass damals in der großen Sammlung von Tieren und Pflanzen aus
Kolonialgebieten des Zoologischen Museums London kein einziger nicht flügger
Zwergflamingo und auch kein Zwergflamingoei enthalten war. Schließlich wollte
Leslie Brown die Brutkolonie auch zu Fuß besuchen, was allerdings aufgrund der
hohen Temperaturen und dem durch Soda ätzenden Wasser und Schlamm des
Natronsees, welches 8 Kilometer lang durchwatet werden musste, verhängnisvoll
endete. Trotz schwerer Verletzungen und Wunden überlebte Leslie Brown. Bis
heute gilt er als einer der wichtigsten Zwergflamingoforscher. Doch trotz
seiner Entdeckungen sind viele weitere Sektoren, vor allem das Zugverhalten,
noch nicht ausreichend erforscht.
Zwergflamingos (Phoenicopterus minor) und Rosaflamingos (Phoenicopterus roseus) in einem Tierpark.
Aufgrund der Größe der
Zwergflamingobestände lassen sich nur Schätzungen machen, eine Schätzung
datiert den Zwergflamingobestand auf 2.220.000-3.240.000 Exemplare mit ca.
650.000 Tieren in Asien [2], eine andere Schätzung
spricht von 4.000.000-6.000.000 Tieren [3].
Obwohl Zwergflamingos mit 2 bis 6
Millionen Tieren eine große Population haben und in der IUCN Redlist
"nur" als NT ("Near threatened") protokolliert sind,
ist diese Art als gefährdet anzusehen, denn Zwergflamingos sind regional stark
- auf ein paar wenige Salzseen - beschränkt: Daher kann eine Dürre einen großen
Teil des Zwergflamingobestandes vernichten. Auch ist die Zukunft des
Lebensraums der Zwergflamingos ungewiss. In letzter Zeit ist in den beiden
Schlüsselseen in Ostafrika, dem Nakurusee und dem Bogoriasee der Bestand der
Zwergflamingos negativ beeinflusst worden, vermutlich durch Vergiftungen
infolge von Schwermetalleintrag. Dürren setzten dem Flamingobestand weiter zu. Eine
beispielhafte Katastrophe für Zwergflamingos mit einer beispielhaften
Schutzaktion fand 1962 statt, als der Natronsee, das Hauptbrutgebiet der
Zwergflamingos, über seine Ufer trat. Die Flamingos brüteten daher am Magadisee,
wo sie nie zuvor beim Brüten beobachtet wurden. Der Magadisee war auf seinem
gewöhnliche Stand, doch dem Schlupf der Jungtiere folgte eine Katastrophe: Die
Salzkonzentration war im Magadisee wesentlich höher als im Natronsee, und an
den Füßen der Jungflamingos bildeten sich Salzklumpen, die dazu führten, dass
die Jungtiere zahlreich in den Salzsee stolperten. Das Gefieder wurde mit der
Salzlauge getränkt, was unweigerlich zum Tod der Jungen führte. Ein Zoologe und
Tierfilmer aus Großbritannien, Alan Root, begann mit vielen Helfern, vor allem
mit kenianischen Schulklassen, im Rahmen einer Rettungsaktion mit Hämmern die
Salzklumpen an den Beinen der Küken zu zertrümmern, etwa 27000 gerettete Küken
waren die Bilanz. Doch erst als die Flamingokolonie in den südlichen Teil des
Sees gescheucht wurde, wo der Salzgehalt niedriger war, hatte sich die Lage
entspannt. Durch diese Bemühungen wurden immerhin 400.000 Küken flügge. Es gab
auch andere Ereignisse, denen viele Flamingos zum Opfer fielen. Beispielsweise
wurde die Brutkolonie im Natronsee um 1997, kurz nach dem die Küken geschlüpft
waren, von einer Hitzewelle überrascht. Das Wasser sank, und der Rest wurde
eine hochkonzentrierte Salzlauge. Diesem Ereignis fielen ebenfalls etliche
Küken zum Opfer.
Zwergflamingos sind anders als
viele andere afrikanische Tiere nicht in der Kultur und den Mythen der
altafrikanischen Kulturen verankert. Allerdings blieben Zwergflamingos
keineswegs unbeachtet, die Fortpflanzung erklärten sich die Massai etwa so: Da
sie die Brutkolonien nicht sehen konnten, weil diese auf unzugänglichen Inseln
in Sodaseen liegen, erklärten sie sich die Erhaltung der
Zwergflamingopopulation damit, dass diese dem Wasser von Sodaseen entsteigen
würden. Und sicher diente er den alten Völkern auch, wenn aber auch selten, als
Nahrungsquelle.
Zwergflamingos (Phoenicopterus minor) und
Rosaflamingos (Phoenicopterus roseus) in einem Zoo.
Heute werden Zwergflamingos nicht
wegen ihres Fleisches gejagt und auch nicht zu anderen Zwecken oft getötet,
jedoch sind Umweltverschmutzung durch den Menschen ein Grund für einen Abgang
der Zwergflamingopopulation (siehe Gefährdung und Schutz). Zwergflamingos
sind, wenn auch selten, eine Touristenattraktion, und dies dann aufgrund ihrer
Farbenpracht und der zahlreichen Exemplare. In Angola wurden Briefmarken mit
Zwergflamingomotiven hergestellt.
Die Systematik der Flamingos ist
allgemein ein stark diskutiertes Thema, wo noch keine Klarheit herrscht. Die
momentane Einordnung in eine eigene Ordnung ist eine vorläufige Lösung, da noch
keinesfalls Klarheit in diesem Sektor herrscht. Beim Zwergflamingo ist diese
Situation noch ausgeprägter, den hier sind sich die Fachleute nicht einig, ob
der Zwergflamingo zur alten Flamingogattung Phoenicopterus oder zu einer
eigenen, monotypischen Gattung Phoeniconaias (DOWSETT und FORBES-WATTSON,
1993) gehört. In diesem Artikel wird er allgemein als Phoenicopterus minor
bezeichnet, nicht als Phoeniconaias minor. Doch zur Zeit sind beide
Bezeichnungen als richtig anzusehen.
Die Bezeichnungen in den vier
Sprachen Deutsch, Niederländisch, Englisch, Französisch sind Zwergflamingo,
kleine flamingo, Lesser Flamingo und Flamant nain. Sie
haben alle den gleichen Ursprung und zielen auf die Größe des Zwergflamingos
ab. Das englische Wort Lesser Flamingo kann etwa mit "kleiner
Flamingo", "Zwergflamingo" übersetzt werden. Der französische
Name Flamant nain bedeutet in etwa "Zwergflamingo",
"zwergwüchsiger Flamingo" , "zwergartiger Flamingo" oder
"zwergiger Flamingo".
Der lateinische und
wissenschaftliche Name des Zwergflamingos, Phoenicopterus minor, zielt
ebenfalls auf die Kleinwüchsigkeit des Zwergflamingos ab und meint fast
bedeutungsgleich wie in den genannten Sprachen: Phoenicopterus =
Gattungsname der Flamingos / Minor = Zwerg = Zwergflamingo.
http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Zwergflamingo&action=history
http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html